Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens "Kein Rathaus in das Pfarrhaus" nach Art. 18 a Abs. 8 GO


Daten angezeigt aus Sitzung:  9. Marktgemeinderatssitzung, 29.09.2022

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.
Marktgemeinderat 9. Marktgemeinderatssitzung 29.09.2022 ö 9

Sachverhalt

Am 08.09.2022 wurden dem Ersten Bürgermeister von der IG „Zukunft Rathaus Gößweinstein“ Unterschriftslisten für das beantragte Bürgerbegehren „Kein Rathaus in das Pfarrhaus“ abgegeben.
Die Unterschriftslisten sind mit folgender Fragestellung versehen:

„Sind Sie dafür, dass unser Rathaus weiterhin eigenständig, wenn möglich am alten Standort verbleibt, und nicht wegen der zu erwartenden hohen Kosten und den damit verbundenen Folgen in das noch zu renovierende Pfarrhaus am Marktplatz verlegt wird?“

Begründung:

- Die Baumaßnahme „Pfarrhaus“ gefährdet dauerhaft die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gemeinde. Andere dringende Infrastrukturmaßnahmen werden auf Jahre Opfer des Pfarrhausumbaus. Siehe z.B. Straßenbaumaßnahmen Entlastung Finsterweg und GV-Straße Stadelhofen – Sachsendorf.  
- Geschätzte Bausumme von 8.000.000,- € innerhalb von 2 Jahren deutlich erhöht und nicht absehbar
- Bausubstanz nicht geprüft, noch keine konkrete Kostenschätzung möglich, ein Fass ohne Boden
- Deutlich höhere Kosten wegen Preissteigerung sind zu befürchten und zu erwarten (Beispiel: Sanierung bei historischen Gebäuden (Forchheim))
- Unverhältnismäßigkeit zwischen Bausumme und Nutzen der Verwaltung
- Schwierige Park- und Zufahrtsprobleme
- Neutralität sollte auch zukünftig zwischen Öffentlicher Hand (Kommune) und Kirche erhalten bleiben, daher kein Rathaus ins Pfarramt

Stellungnahme zum Antrag:

Es handelt bei der Maßnahme „Umbau des Pfarramtes bzw. des Pfarrhofes zum Rathaus“ um eine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises nach Art. 57 Abs. 1 GO. Ausschlussgründe gegen einen Bürgerentscheid nach Art. 18 a Abs. 3 GO liegen nicht vor.
Das Bürgerbegehren wurde mit einer mit Ja oder Nein zu beantwortenden Fragestellung beim Markt Gößweinstein eingereicht. Es ist eine Begründung enthalten sowie sind drei Personen benannt, die berechtigt sind, die Unterzeichneten zu vertreten.
Das Bürgerbegehren wurde von 414 Personen unterzeichnet. Von den Unterschriften sind 387 gültig. Das Quorum mit 10 v.H. wurde mit 322 notwendigen Unterschriften erreicht.

Jedoch mangelt es der Fragestellung zum einen an der notwendigen Bestimmtheit. Diese ist eine ungeschriebene, aber aus Sinn und Zweck des Bürgerbegehrens folgende Voraussetzung für die Zulassung eines Bürgerbegehrens. 

Die Passagen
- nicht wegen der zu erwartenden hohen Kosten
- den damit verbundenen Folgen
sind nicht hinreichend bestimmt.
 
Weder sind die angeführten hohen Kosten zahlenmäßig benannt, noch gibt es für das Wort „hohe“ eine für jedermann geltende objektive Definition. Vielmehr handelt es sich hier um subjektives Empfinden einer Person.
Weiterhin sind die „damit verbundenen Folgen“ ebenfalls nicht benannt.
    
Zum anderen sind in der Begründung wohl entscheidungsrelevante unzutreffende Tatsachenbehauptungen enthalten: 
- Die Baumaßnahme „Pfarrhaus“ gefährdet dauerhaft die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gemeinde. Andere dringende Infrastrukturmaßnahmen werden auf Jahre Opfer des Pfarrhausumbaus. Siehe z.B. Straßenbaumaßnahmen Entlastung Finsterweg und GV-Straße Stadelhofen – Sachsendorf.  
- Bausubstanz nicht geprüft, noch keine konkrete Kostenschätzung möglich, ein Fass ohne Boden

Eine dauerhafte Gefährdung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Marktes Gößweinstein ist nicht absehbar. Dass andere Infrastrukturmaßnahmen ein Opfer des Pfarrhausumbaus werden, ist ebenfalls nicht absehbar. Vielmehr soll der Eigenanteil des Marktes Gößweinstein an den Baukosten nach Abzug von Zuschüssen und Beteiligungen Dritter im Bereich der Kosten für den ansonsten wohl notwendigen Neubau eines Rathauses liegen.
Die Prüfung der Bausubstanz wurde im Zuge der Vorentwurfsplanung bzw. Entwurfsplanung durch die beauftragten Büros vorgenommen. Zum Zeitpunkt der Unterschriftensammlung müsste dieser Sachverhalt den Vertretern des Bürgerbegehrens bekannt gewesen sein. Den Vertretern müsste auch bekannt sein, dass die Ergebnisse der Prüfung mit entsprechender Kostenschätzung in der Marktgemeinderatssitzung am 29.09.2022 vorgestellt werden sollten. Die Vorstellung konnte aber bereits in einer Sondersitzung des Marktgemeinderates am 15.09.2022 erfolgen.

Das Landratsamt Forchheim hat mit E-Mail vom 22.02.2022, welche den Marktgemeinderäten überlassen wurde, erhebliche Bedenken an der Formulierung der Begründung, die nach dessen Einschätzung unzulässig ist und dazu führt, dass in der Folge das Bürgerbegehren als unzulässig anzusehen wäre, mitgeteilt. Die Begründung ist Teil des Bürgerbegehrens und wenn tragende Elemente der Begründung unrichtig sind, wäre ein Bürgerbegehren unzulässig (OVG NRW, Urteil vom 23.04.2002 – 15 A 5594/00).    

Zusammenfassend bestehen mindestens erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit des Begehrens. 

Jedoch dürfen an die sprachliche Abfassung der Fragestellung und der Begründung keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Das Rechtsinstitut Bürgerbegehren/Bürgerentscheid ist so angelegt, dass die Fragestellung von Gemeindebürgern ohne besondere verwaltungsrechtliche Kenntnisse formuliert werden können soll (VGH BadWürtt ESVGH 27, 73/75).

Eine wohlwollende Prüfung der Fragestellung und Begründung ist in der Rechtsprechung anerkannt.  

Unter Zurückstellung erheblicher Bedenken könnte die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festgestellt werden.

Beratung

Der Erste Bürgermeister erklärt, dass in der Vorlage vielen Brücken für eine Zulässigkeitsfeststellung des Bürgerbegehrens gebaut wurden. Es ist jetzt nur über die Zulässigkeit des Begehrens, aber nicht über die Maßnahme selbst zu befinden.
Teilweise wird bedauert, dass das gesamte Projekt durch das Bürgerbegehren Schaden genommen hat.
Den das Bürgerbegehren unterschreibenden Personen wurden nach Ansicht einiger Räte zum Teil wohl Horrorszenarien vorgespielt, sollte das Projekt ungesetzt werden.
Das Abhalten eines Bürgerentscheides wird teilweise begrüßt.
Der jetzige Zeitpunkt sei für die Einreichung des Bürgerbegehrens viel zu spät. Die Planungen laufen bereits seit 2017. Es wurde jetzt schon viel Zeit und Energie für das Projekt verwendet.
Es besteht die Hoffnung auf das Treffen einer richtigen Entscheidung durch die mündigen Bürger. 
Der Geschäftsleiter weist auf die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens wegen der o. g. Fehler hin. 

Beschluss

Das am 08.09.2022 beim Markt Gößweinstein eingereichte Bürgerbegehren „Kein Rathaus in das Pfarrhaus“ wird für zulässig erklärt.

Abstimmungsergebnis
Dafür: 8, Dagegen: 6

Datenstand vom 20.10.2022 13:29 Uhr